Lehrplan oder Lebensplan?

Warum müssen Kinder

… Buchstaben lernen, wenn sie ihre Jausenbox noch nicht alleine öffnen können?

… eine Linie perfekt nachziehen können, wenn sie ihre Hausschuhe noch nicht alleine anziehen können?

… mit Plättchen Mengen legen, wenn sie die Farben noch nicht können?

Ich rede nicht von den Kindern, die diese Sachen lernen wollen, die ein Interesse daran haben. Die einfach nur ein Mehr an Hilfe benötigen, damit sie diese Sachen lernen können. Auch nicht von den Kindern, die bereits alles Notwendige können, um ihren Alltag selbstständig zu bestreiten. Und auch nicht von den Kindern, die aufgrund einer Beeinträchtigung vielleicht nie ihren Hosenknopf selbst zumachen werden können.

Sondern von den Kindern, bei denen es ein riesiges Lern- und Erfahrungsfeld gibt, das mit den „normalen“ Schulinhalten nichts zu tun hat. In der Theorie ist das vielen klar, doch die Praxis schaut anders aus. Kommt ein Kind in die Schule erwartet das gesamte Umfeld, dass jetzt die Kulturtechniken gelernt werden. Es wird zur Kenntnis genommen, dass am Wochenplan wohl auch lebenspraktische Übungen stehen, doch haben die selten einen gleichen Stellenwert wie das „richtige Lernen“.

Viele Kinder mit besonderen Bedürfnissen haben, wenn sie in die Schule kommen, einen Entwicklungsstand von Kleinkindern … von Kindern in einem Alter wo man nicht im Traum dran denken würde sie mit Lesen, Schreiben, Rechnen und Partnerarbeit zu konfrontieren. Man würde es ihnen gerne erklären, wenn sie Interesse zeigen und fragen kommen, aber keiner würde von einem Dreijährigen verlangen, dass er sich konzentriert mit einer Aufgabe beschäftigt, die er kognitiv nicht bzw. kaum verstehen kann. Und stattdessen drauf verzichten ihn spielen zu lassen und ihm nicht die Möglichkeit lassen zu lernen, wie man selbstständig mit einem Löffel isst.

Selbst der Lehrplan für die Allgemeine Sonderschule ist für viele Kinder zu hoch gegriffen. Diese Kids bräuchten eher einen „Lebensplan“.

So offen ein Unterricht gestaltet ist, so großzügig die räumlichen Gegebenheiten auch sind, viele Kinder bräuchten eine andere Umgebung, um diese lebenspraktischen Dinge lernen und erfahren zu können. Mehr Raum und Möglichkeiten hat man dazu in manchen reinen Sonderschulen für Schwerstbehinderte, doch da fällt der Integrationsgedanke komplett weg und ein Voneinander und Miteinander ist kaum möglich.

Ich denke, dass eine strukturierte Umgebung, ein regelmäßiger Ablauf und hauptsächlich handlungsorientierte Aktionen helfen könnten. Regelmäßige Aktionen im „echten“ Leben, die genug Anreiz bieten, damit die Kinder selbst daran teilhaben wollen, sich dafür einsetzen und notwendige Dinge lernen.